Worum geht es in der Teilchenphysik?

Worum geht es in der Teilchenphysik?

Die Teilchenphysik beschäftigt sich mit den fundamentalen Fragen, aus was Materie letztlich beschaffen ist und welche grundsätzliche Arten von Materie überhaupt im subatomaren Bereich existieren. Es ist das Ziel herauszufinden, welches die fundamentalen Bausteine (oft auch Elementarteilchen genannt) der Materie sind, welche Eigenschaften sie haben und wie sie miteinander wechselwirken. Diese Fragen sind eingebettet in Grundregeln der Quantenphysik, die quasi das Spielfeld darstellt, in der die Forschung der Teilchenphysik stattfindet. Die Antworten erlauben Rückschlüsse darauf, wie zum Beispiel der frühe Universum ausgesehen hat und wie sich das Universum in der Zukunft entwickeln wird.

Die Teilchenphysik beschäftigt sich mit diesen fundamentalen Fragen auf dem Niveau der kleinsten experimentell zugänglichen und denkbaren Abständen. Dies geschieht entweder bei der Produktion von Elementarteilchen in den Hochenergie-Kollisionen bei den großen Beschleunigerexperimenten oder bei der Beobachtung anderer Prozesse wie den Zerfall von Elementarteilchen. Der momentane gesicherte Erkenntnistand der Teilchenphysik ist im sogenannten Standardmodel der Elementarteilchenphysik zusammengefasst. Das Standardmodell ist ein wunderbar konstruierte und mathematisch konsistente Quantenfeldtheorie. Mit dem Nachweis des Higgs-Bosons im Jahre 2012 beim Large-Hadron-Collider, wurden alle Elementarteilchen des Standardmodells auch experimentell bestätigt. Es wurde dadurch aber auch bestätigt, dass wichtige und bereits bekannte Konzepte, wie die sogenannte spontane Symmetriebrechnung, auch auf dem Niveau der fundamentalen Elementarteilchen relevant sind. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass das Standardmodell nicht die ultimative fundamentale Theorie sein kann, denn es hat noch eine recht große Zahl von von freien Parameters und es kann wichtige Fragen, wie die der Dunklen Materie, die in vielen astrophysikalischen Beobachtungen ganz klar sichtbar ist, nicht beantworten.

Forschungsinteressen der Teilchenphysikgruppe

Die Teilchenphysikgruppe betreibt Forschungsarbeiten mit den folgenden Schwerpunkten:

Physik an Beschleunigerexperimenten: Wir benutzen quantenfeldtheoretische Methoden, um Vorhersagen für wichtige Prozesse zu machen, die bei Experimenten wie den Large-Hadron-Collider [Link] beobachtet werden. Da es nicht möglich ist, die Quanten-Bewegungsgleichungen des Standardmodells exakt zu berechnen, werden hierfür verschiedene störungstheoretische Methoden (z.B. mittels der Berechnung von Feynman-Diagrammen) benuzt.

Effektive Feldtheorien: The Methode der effektiven Feldtheorien erlaubt es häufig, die Präzision und praktische Vorhersagekraft von Quantenfeldtheorien zu verbessern. Sie erlaubt es zum Beispiel Anteile von störungstheoretische Reihen zu allen Ordnungen aufzusummieren oder nicht-störungstheoretische Quantenkorrekturen zu beschreiben. Wichtige effektiven Feldtheorien sind zum Beispiel die Soft-Collinear-Effective Theory (SCET) für die theoretische Behandlung von Jets, die chirale Störungstheorie (ChPT) für die Beschreibung des Limes kleiner Energien in der Quanten-Chromodynamik (QCD) oder die nichtrelativistische QCD für die Beschreibung für gebundene Systeme von schweren Quark-Antiqurkpaaren (Quarkonia). Selbst das Standardmodel selber kann als führende Approximation einer allgemeineren Standardmodell-Effective-Theory (SMEFT) betrachtet werden.

Neue Physik: Der Begriff ’Neue Physik’ bezieht sich auf Forschungen in der Teilchenphysik, die sich auf Aspekte ausgerichtet sind, die nicht durch das Standardmodell beschrieben werden. Die Forschungen zur Frage der Dunklen Materie, entweder im Rahmen von direkten oder indirekten Suchstrategien nach Dunkler Materie, gehören in dieses Forschungsfeld, aber auch die Suche nach Abweichungen von der Natur von der Vorhersagen des Standardmodells. Ein wichtiger Zugang in diese Thematik ist die modell-unabhängige Parametrisierung von möglichen Effekten Neuer Physik (z.B. im Rahmen son SMEFT) und die Erhöhung der theoretischen Präzision von Vorhersagen im Standardmodell.

Physik des Topquarks: Das Topquark ist das schwerste heute bekannte Elementarteilchen. Ein Topquark has ungefähr die Masse eines ganzen Goldatoms. Präzise Messungen der Eigenschaften des Topquarks sind wichtig, um Rückschlüsse auf den elektroschwachen Sektor (einschließlich des Higgssektors) des Standardmodells und auch in der Suche nach Neuer Physik ziehen zu können.

Niederenergieobservablen der QCD und die Flavor-Physik: Hochpräzise experimentelle Daten von Niederenergieobservablen, wie das anomale magnetische Moment des Myons, oder die Eigenschaften von Mesonen oder schweren Leptonen in Streuprozessen und bei deren Zerfall, werden mit hochpräzisen theoretischen Vorhersagen verglichen. Dieser Vergleich ermöglicht es, wichtige indirekte Hinweise bei der Suche nach Neuer Physik zu gewinnen, um zum Beispiel mögliche Modelle Neuer Physik einzuschränken oder sogar auszuschließen. Das Studium von Niederenergieobservablen ist komplementär zur Suche nach Neuer Physik an den großen Beschleunigerexperimenten, wo man darauf abzielt, neue Teilchen, die nicht im Standardmodell enthalten sind, direkt zu erzeugen.

Ausblick

Die Eigenschaften des vor kurzem am LHC neu entdeckten Teilchens sind konsistent mit dem sogenannten Higgs-Boson. Weitere Untersuchungen werden die Frage klären, ob es sich bei dem neuen Teilchen tatsächlich um das Higgs-Boson des Standardmodells handelt und ob wir den Mechanismus, der die Massen der Quarks und Leptonen erzeugt, richtig verstehen. In der Teilchenphysik sucht man auch nach Abweichungen von den Vorhersagen des Standardmodells, welche Hinweise auf spannende "Neue Physik" liefern könnten. Untersuchungen in der Neutrinophysik sollten bald in der Lage sein die grundlegende Natur der Neutrinos zu klären, ob es sich nämlich um Majorana- oder Diracteilchen handelt. Hochpräzisionsexperimente an Teilchenbeschleunigern mit niedrigeren Energien gestatten es die Flavour-Struktur von Elementarteilchen zu erforschen und indirekt nach "Neuer Physik" zu suchen.


Gruppensprecher

Univ.-Prof. Dr. André H. Hoang
e-mail: andre.hoang@univie.ac.at
Boltzmanngasse 5, Zimmer 3508; Telefon: (01) 4277 51559

 

Stv. Gruppensprecher

Ass.-Prof. Dr. Massimiliano Procura Massimiliano Procura
e-mail: massimiliano.procura@univie.ac.at
Boltzmanngasse 5, room 3507; Telephon: (01) 4277 72402


News

27.11.2015
 

2015 wurde "Quantum and Gravity" als Thema gewählt

26.07.2015
 

André Hoang, Gruppensprecher der Teilchengruppe, erklärte in einem öffentlichen Vortrag an der EPS HEP 2015 Konferenz, wie die Struktur des Vakuums...

15.01.2015
 

Universitätsassistent Dr. Vicent Mateu wurde mit dem Physik-Preis 2014 für Neue Theoretische Physik mit einer der höchsten Auszeichnungen Spaniens...

Erwin Schroedinger Gastprofessur

01.10.2012
 

Prof. Stanley Brodsky, SLAC, war 2012 unser Erwin-Schrödinger-Gastprofessor

01.03.2011
 

Dr. Georg Raffelt, Max Planck Institut für Physik München, war unser diesjähriger Erwin-Schrödinger-Gastprofessor

01.10.2010
 

Prof. Andrzej Buras, TU München, war unser diesjähriger Erwin-Schrödinger-Gastprofessor

Regelmäßiges Teilchenphysikseminar

Wöchentliche Seminare finden am Dienstag um 16:15 im Erwin Schrödinger Hörsaal im 5. Stock in der Boltzmanngasse 5 statt.


Vienna Lunch Club Seminar

Vienna Theory Lunch Seminar

von Florian Benedetti (TU), Jan Lüdtke (UV), Christoph Regner (UV) und Daniel Schuh (TU)

Dienstags 12:15-13:30

abwechselnd an:

TU Wien (Wiedner Hauptstr. 8-10, Gelber Bereich, 10. Stock, Seminarraum E136)

Uni Wien (Boltzmanngasse 5, 5. Stock, Schrödinger-Hörsaal)